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Meinung: Stickles Einfluss auf Deutschrap

"Ich sage ihr, dass er von Stickle is'"

Andreas Janetschko
Stickle wie üblich im Hintergrund. Quelle: Screenshot von YouTube

"Sie fragt mich, was für ein Beat das is'/Ich sage ihr, dass er von Stickle is'" diese Frage aus Yung Hurns Song 'Eisblock' kann man mittlerweile wahrscheinlich öfter hören, denn Stickles Beats sind prägend für den aktuellen Deutschrap-Sound. Der aus Linz stammende Beatmaker heißt eigentlich Andreas Janetschko und ist bereits seit Anfang der 2000er erfolgreich. In diesem Artikel möchte ich erklären, warum Stickle meiner Meinung nach der derzeit einflussreichste und innovativste Produzent im deutschsprachigen Hip-Hop ist. 

Von Linz nach Berlin

Angefangen hat für Stickle alles 2000 im beschaulichen oberösterreichischen Linz. Dort bildete er ab 2000 mit seinen Kumpels Chakuza und dem weniger bekannten Big J die Gruppe Verbale Systematik, die 2003 auch bereits auf dem Splash! spielen durften und im selben Jahr den Austria Newcomer Award in der Kategorie 'Beste Band' erhielt.

Auch wenn Big J nur zwei Jahre später die inzwischen in Beatlefield umbenannte Gruppe aufgrund von musikalischen und persönlichen Differenzen verließ, spielte er für den weiteren Werdegang von Stickle und Chakuza eine entscheidende Rolle. So stellte er (zumindest laut seinem  Wikipedia-Artikel; die anderen beiden erzählen eine andere Version) seinen Kumpels keinen geringeren als Bushido vor. Dieser hatte gerade sein bis heute bekanntes Label ersguterjunge gegründet und sich dort das erste von vielen Malen mit seinen Signings überworfen. Ohne seine zwei Hausproduzenten DJ Ilan und DJ Devin, sowie den Rapper Bass Sultan Hengzt hatte Bushido dringenden Bedarf an frischen Künstler*innen und vor allem Beatmaker*innen. 

Wie der Zufall es also wollte, fand Bushido Gefallen an Stickles und Chakuzas nach einem Konzert in Linz überreichten Demotape. Da er aufgrund eines Vorwurfes der Körperverletzung – ich erinnere mich noch gut an den Bravo-Artikel – Österreich nicht verlassen durfte,  verbrachte er einen Teil der Zeit bis zum Prozess auf Chakuzas Sofa. Die Zeit in Linz nutzte er, um im Studio der beiden sein bis heute legendäres Album 'Staatsfeind Nr. 1' aufzunehmen. Nach der Produktion des Albums wurden Stickle und Chakuza dann bei EGJ unter Vertrag genommen. Eine ganz glückliche Entwicklung , wenn man bedenkt, dass ersterer 2006 von seiner Multi-Media-Schule geflogen ist. 

Bis 2010 sollte das auch so bleiben. In dieser Zeit zeichnete sich vor allem der mittlerweile in Berlin wohnende Stickle für die Produktionen des Labels verantwortlich. 

Vom Straßensound zur 'Neuen Reimgeneration'

Auch nach seinem Weggang von EGJ sollte Stickle das Deutschrap-Geschehen weiter entscheidend musikalisch prägen. So arbeitete er beispielsweise mit dem kommerziell zwar nicht so erfolgreichen, aber musikalisch umso interessanteren Wiener Rapper Gerard zusammen, den man im weitesten Sinne zur von Falk Schacht ausgerufenen 'Neuen Reimgeneration' zählen kann. Dessen Song 'Lissabon' habe ich damals übrigens schon rauf und runter gehört habe, ohne mir Gedanken über den Produzenten des Beats zu machen. 

Auch an Caspers Durchbruch und heutigem Klassikeralbum 'XOXO' hatte er einen kleinen Anteil. So wurde dieses komplett im Beatlefield-Studio produziert. Eigene Beats hat er dort aber nicht unterbringen können.

Stilsicherer Hip-Hop mit Elektro-Elementen

Wo man bei Stickles Produktionen für Gerard noch kritisieren könnte, dass sie ein wenig unaufgeräumt klingen (was aber andererseits auch ihren Charme ausmacht), fand der Linzer spätestens mit der genialen 'Love Hotel EP' von Yung Hurn zu seinem eigenen ebenso genialen, wie im Endeffekt schlichten Sound. Dieser vereint eine gewisse 80er-Jahre Ästhetik mit House- und Trap-Elementen und integriert dabei oft noch einen funky Bass-Lauf. Kaum verwunderlich, wo er doch bereits in einem Interview aus dem Jahr 2009 angab, privat hauptsächlich elektronische Musik zu hören. Kleine Randnotiz: Das war übrigens das einzige Video-Interview was ich mit Stickle finden konnte.

Prototypisch für diese Einflüsse steht der Track 'Popo', den er mit Yung Hurn zusammen produziert hat. Dabei handelt es sich um einen astreinen House-Song, der so auch in jedem Club laufen könnte, sich daher aber aber auch weniger für eine Heavy Rotation in den einschlägigen Deutschrap-Playlists eignet.

Hits am Fließband

Neben dem trotz aller Bekanntheit doch immer noch sehr nischigen Yung Hurn, prägt Stickle aber auch die Musik der derzeit die Charts dominierenden Deutschrap-Künstler*innen. 
Sowohl 'Airwaves' von Pashanim als auch '200 km/h' von Apache 207 stammen aus der Beatfabrik des Wahl-Berliners und stehen für Stickles unverwechselbaren Sound. 

Am besten lässt sich dieser wahrscheinlich mit dem Begriff 'athmosphärisch' beschreiben. Neben den oben schon genannten Zutaten eines typischen Stickle-Beats, finden sich oft noch aufs erste Hören ziemlich unscheinbare Hintergund-Vocals auf seinen Instrumentalen. Mit sehr viel Hall zur fast kompletten Unverständlichkeit verformt, sind diese ab und an eingestreuten Schnipsel ein tragendes Element dieser Athmosphäre. Beispielhaft ist hier die Hook aus 'Diamant' zu nennen, in der ein fast nicht identifizierbares 'Baby' Yung Hurns Gesang ergänzt.

Dezent im Hintergrund

Bei der Recherche für diesen Artikel ist mir aufgefallen, dass es von Stickle eigentlich so gut wie keine Interviews gibt. Trotz allem Erfolg scheint der Österreicher also lieber im Hintergrund zu bleiben und anderen Künstler*innen den Vortritt zu lassen. Auch die Zusammenstellung der unten eingebetteten Playlist war alles andere als einfach, denn gerade Mitte der 2000er war es leider noch nicht üblich, dass man die*den Produzent*in im Song-Titel genannt hat (dies war übrigens sogar bei dem in diesem Jahr veröffentlichten 'Airwaves' der Fall). 

Ich musste mich also durch seine gesamte Diskografie auf Discogs klicken und von den dort erwähnten Tracks nochmal alle Mitwirkenden auf Spotify vergleichen, um Material auszusortieren, bei dem Stickle entweder 'nur' das Mixing übernommen oder 'nur' die Vocals aufgenommen hat und deswegen in den Credits genannt wurde. Herausgekommen ist dabei dann eine einigermaßen repräsentative Liste von seinem Gesamtwerk solo und mit Beatlefield. 

Lasst doch mal ein Like da und schreibt in die Kommentare, ob ihr den alten EGJ-Stickle oder doch eher den neuen elektronisch anmutenden Stickle feiert.


Hier könnt ihr unsere Stickle-Playlist anhören:

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